Die katholische Reform - Reformbemühungen innerhalb der katholischen Kirche des 15./16. Jahrhunderts.1

 In der letzten Ausgabe haben wir über das Leben und Wirken Luthers berichtet. Anknüpfend an diesen Artikel beschreiben wir im folgenden Reformbemühungen aus dem Katholizismus selber.
Dass Missstände in der Kirche herrschten, kann und muss nicht geleugnet werden. Glieder der katholischen Kirche haben sie selber festgestellt und angeprangert. Das zeigen folgende Beispiele.
Auf dem Reichstag zu Nürnberg im Januar 1523 fand Papst Hadrian VI. (1522 – 23) den Mut, durch seinen Gesandten Chieregati öffentlich zu bekennen, dass der Klerus und besonders die römische Kurie eine Mitschuld an dem Aufstand Luthers und der Kräfte, die ihm folgten, trage. Er räumt dabei ausdrücklich ein, dass die Krankheit, unter der die Kirche leide, sich vom Haupt, dem Heiligen Stuhl, auf die unteren Prälaten ausgedehnt habe.
Im Jahre 1527 suchte die Stadt Rom ein furchtbares Ereignis heim, der „Sacco di Roma“ (dt. „Plünderung Roms“). Die Truppen Karls V., des katholischen Kaisers selber, marschierten auf Rom. Denn der Kaiser erhob damals Herrschaftsansprüche auf Italien. Als der Herzog Charles de Bourbon, der das Heer führte, beim Angriff auf Rom fiel, begannen die 20.000 Söldner, viele davon Lutheraner, ausgehungert und nicht entlohnt, wild zu plündern und zu morden. Und in Folge dieses Gemetzels suchte die Stadt dann noch Pest und Hungersnot heim. Dies wurde von vielen als ein gerechtes Strafgericht des Himmels über die in Lastern versunkene Hauptstadt der Christenheit und als furchtbare Sühne für das böse Beispiel, das zahlreiche Prälaten und nicht wenige Träger der Tiara im Zeitalter der Renaissance der Welt gegeben hatten, gesehen. Dass darunter auch Glieder der römischen Kurie waren, beweist eine Rede, die Bischof Stafileo am 15. Mai 1528 vor der Rota, dem zweithöchsten Gericht der katholischen Kirche, hielt. Er beantworte die von ihm aufgeworfene Frage, warum die Welthauptstadt so schwer heimgesucht worden sei, mit einem klaren Sündenbekenntnis: „Weil alles Fleisch sich der Verderbnis überlassen hat, weil wir Bürger nicht der heiligen Stadt Rom, sondern der verdorbenen Stadt Babylon sind.(...) Wir alle haben schwer gesündigt. Bessern wir uns, wenden wir uns zum Herrn, und er wird sich unser erbarmen.“
Carafa, der spätere Papst Paul IV., schreibt im Oktober 1532 an den Papst einen Brief, in dem er ihm die traurigen religiösen Zustände in Venedig schildert. Die drei Ursachen für den Erfolg des Protestantismus sieht er in schlechten Predigten, schlechten Büchern und einem schlechten Lebenswandel. Als Abhilfe nennt er eine gründliche Reform des verrotteten Klerus. Dazu sei eine Kommission einzurichten, die alle Geistlichen, die predigen und Beichte hören wollten, prüfen solle. Von dieser „Selektion“ dürfe man sich nicht von der Befürchtung abhalten lassen, dass dann kaum mehr Priester ihres Amtes walten dürften. Lieber wenige, aber dafür gute Priester, ist seine Devise. Carafa berichtet in seinem Schreiben sogar von Fällen, in denen sich Mönche, die gar keine Priester seien, in den Beichtstuhl setzten, nur um der paar Soldi wegen, die das Beichtehören einbringe. In Folge dieser Skandale gehe – wen würde es wundern – der größte Teil der höheren Gesellschaft in Venedig nicht einmal mehr zur Osterbeichte. Ein anderes Problem sei der Verfall der Bischöfe. Da die meisten Bischöfe ihrer Residenzpflicht nicht nachkämen, d.h. sich fern ihrer Diözese aufhielten, fehle es an wahren Oberhirten. Aus Ehrgeiz schweiften die Bischöfe an den Höfen umher und überließen die Sorge für ihre Diözese verkommenen Mönchen, die sich für Titular- oder Suffraganbischöfe ausgäben. Daher käme auch die Verachtung des Priesterstandes und der heiligen Messe beim Volk. Zum Schluss kommt Carafa noch auf den unglaublichen Zustand in den Orden zu sprechen.
Die Beispiele zeigen dreierlei. Erstens, dass in der Tat Missstände in der katholischen Kirche existierten. Zweitens, dass Glieder der katholischen Kirche selber diese Missstände erkannten. Und drittens, dass sie konkrete Vorschläge anbrachten, wie man diesen Missständen Abhilfe schaffen könne.
Die Kirchengeschichte spricht, wenn sie die Reformbewegungen aus den Reihen der katholischen Kirche heraus oder die Selbstbesinnung der Kirche im 15./16. Jahrhundert auf das katholische Lebensideal beschreiben will, von der “katholischen Reform”, im Gegensatz zur “Gegenreformation”, was die Selbstbehauptung der Kirche im Kampf gegen den Protestantismus bezeichnet.
Natürlich wurde die katholische Reform auch durch die Angriffe der protestantischen Reformation ins Leben gerufen und beeinflusst. Aber sie ist nicht nur Verteidigungsreaktion gegen den Angriff des Protestantismus, sondern – wie die Beispiele oben schon gezeigt haben – selbständige Einsicht in Fehler und Bemühung, den Glauben wieder mit wahrem Leben zu füllen. Dies beweist zum Teil die Tatsache, dass das Auftreten der Reformideen zeitlich vor dem Auftreten Luthers lag. Schon z.B. das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) sah für die Zukunft regelmäßige Zusammenkünfte weiterer Konzilien vor, weil nur so eine nachhaltige Reform der Kirche gewährleistet werden konnte. Andere Reformansätze traten zwar erst nach Luther auf, waren aber innerlich unabhängig von der protestantischen Reformation. So das Auftreten eines Ignatius von Loyola oder die Reform der Theresa von Avila. Außerdem gehen die Reformbemühungen über eine bloße Rechtfertigung gegenüber dem Protestantismus oder eine bloße Abschaffung der durch ihn angeprangerten Missstände hinaus und zeigen damit, dass sie nicht nur dem Protestantismus entgegentreten, sondern darüber hinaus und unabhängig davon die Kirche in einem wirklich katholischen Geist erneuern wollten.
Die katholische Reform nahm ihren Anfang in Spanien, war aber bald auch in Italien zu finden. Sie wirkte sich in neuen Ordensgründungen und in der Reformierung alter Orden aus. Man muss aber dazusagen, dass die Antriebe der klösterlichen Erneuerung aus der nie erloschenen, nur schlummernden katholischen Frömmigkeit kamen. Führer der Bewegung waren gottbegeisterte Männer und Frauen, die zuerst an ihrer eigenen Vervollkommnung, dann an der Besserung ihrer Zeitgenossen arbeiteten. Das Papsttum stand den Reformideen zunächst verständnislos gegenüber und konnte erst später für sie gewonnen werden. Auch damit es zu dem von vielen für so dringend empfundenen Konzil kam, mussten erst zahlreiche Hindernisse überwunden werden.
Wenn wir von neuen Ordensgründungen und von der Reform alter Orden sprechen und auf der anderen Seite Spanien als den Ursprungsort der Reform bezeichnen, dann ruft uns das sofort zwei große Gestalten ins Gedächtnis: Ignatius von Loyola und die Gründung des Jesuitenordens und Theresa von Avila und die Reform der Karmeliter. Tatsächlich haben beide Gestalten durch ihre zunächst sehr klein beginnenden Werke großen Einfluss auf die weitere Geschichte der Kirche genommen. Denken wir nur daran, dass die Mitgliederzahl des Jesuitenordens zunächst 60 nicht überschreiten sollte, dass der Orden aber später den Päpsten diente, dem Protestantismus wirksam entgegenzutreten.
Ignatius (1491/95 – 1556) war ein baskischer Edelmann, höfisch erzogen, lange am Hofe des Königs lebend, damals keineswegs von vorbildlichem Lebenswandel, sondern von Ehrgeiz erfüllt, nach Ruhm durch Heldentaten verlangend und zugleich schwärmend für eine Dame. Aber eine Verwundung bei der Verteidigung der Zitadelle der Grenzfeste Pamplona wurde für ihn, den bereits 30-jährigen, Anlass zu innerer Umkehr. Als er verwundet darniederlag, verlangte er nach Ritterromanen. Diese gab es aber im Schloss Loyola nicht. So las denn der Offizier das Leben Jesu (von Ludolf von Sachsen) und Heiligenlegenden (Franziskus und Dominikus). Diese Lektüre erweckte in ihm das Streben nach Heiligkeit.
Zunächst in seinen Zielen unklar, legte er ein Bettlergewand an, entschloss sich zu einer Wallfahrt nach Jerusalem und hielt Nachtwache in dem berühmten Marienheiligtum von Montserrat. Der Aufenthalt in Manresa unweit von Montserrat vollendete seine religiöse Umwandlung. Aus dieser Schule des geistlichen Lebens erwuchsen seine berühmten Exerzitien. Es regt sich sein Tatendrang: er will den Seelen helfen und nur die größere Ehre Gottes suchen. Nach einer Wallfahrt ins Heilige Land (1523) widmete er sich zunächst zehn Jahre lang humanistischen, philosophischen und theologischen Studien und bemühte sich währenddessen eifrig, durch persönlichen Umgang und die Exerzitien auf seine Studiengenossen und andere seelsorgerlich einzuwirken.
Nach sorgfältiger Vorbereitung schloss er mit sechs Gefährten an Mariä Himmelfahrt 1534 in der Marienkapelle auf dem Montmartre bei Paris einen religiösen Bund. Sie gelobten Armut, Keuschheit und einen geistlichen Kreuzzug nach Jerusalem zur Bekehrung der Mohammedaner; da letzterer aus politischen Gründen momentan unausführbar war, betätigten sich die 'reformierten Priester' zunächst in der Seelsorge und Krankenpflege in verschiedenen Städten Italiens. 1540 erlangten sie die Anerkennung durch Papst Paul III. als regulierter Klerikerorden. Als Aufgabe setzte sich die Gesellschaft Jesu die Förderung des Seelenheils und der Vollkommenheit des Nächsten durch Predigt, geistliche Übungen, Religionsunterricht und Beichthören.
Ein besonderes viertes Gelübde verpflichtete die Glieder zu strengem Gehorsam gegenüber dem Papst in Sachen der Mission. Der Jesuitenorden erfreute sich dank seiner glänzenden Organisation und Leitung eines außerordentlichen Wachstums; er erhielt auch in Deutschland eine Anzahl von Niederlassungen (Köln 1544, Ingolstadt 1556, München 1559). Als erster deutscher Jesuit wirkte dort seit 1543 über 50 Jahre lang mit unermüdlichem Eifer, mit Liebe und Geduld der 1925 heiliggesprochene und zum Kirchenlehrer erhobene Petrus Canisius. Unter anderem war er als theologischer Berater auf dem Konzil von Trient tätig und diente der Klarstellung der katholischen Lehre gegenüber dem Protestantismus durch seinen in zahlreichen Ausgaben erschienenen Katechismus. Er ist ein Beispiel für die Bedeutung des Jesuitenordens im Kampf gegen die neue Irrlehre, obwohl der Orden doch als unabhängige Reformbewegung nicht direkt zur Bekämpfung des Protestantismus gegründet worden war. Besonders wichtig waren in diesem Zusammenhang sicherlich auch die vielen Gründungen von Schulen und Seminarien der Jesuiten, durch die sie direkt eine Heranbildung von Laien und Priestern im Geiste der katholischen Reform bewirken konnten. Man denke nur an das Collegium Romanum und das Collegium Germanicum, die gute Priester für Italien bzw. Deutschland heranbilden und zusätzlich als Vorbilder für andere Seminarien dienen sollten.
Als Beispiel der religiösen Gemeinschaften, die in Italien entstanden, seien hier die Theatiner erwähnt. 1497 stiftete ein Laie in Genua eine Bruderschaft, die sich der Selbstheiligung der Glieder und dem Dienst am Nächsten widmete – immer wieder sehen wir, wie die Menschen die echte Reform der Kirche mit einer Selbstheiligung begannen! Diese Bruderschaft trug den Namen “Oratorium der göttlichen Liebe”. Vereinigungen mit demselben Namen folgten in Rom, Venedig, Padua und Brescia. In einer Mitgliederliste des Oratoriums in Rom von 1524 finden wir unter anderem die Namen Gaetano und Carafa. Diese merkten, dass für ein weiteres Wirken der Gesellschaft eine straffere Organisation nötig war. Daher beschlossen sie, statt des Oratoriums eine besondere, auf festen Regeln und auf gemeinschaftlicher Lebensweise gegründete Kongregation von Klerikern zu gründen. Die Glieder waren Seelsorgspriester und sollten durch einen guten Lebenswandel und eine treue Erfüllung ihres Berufes der teilweise tief verdorbenen Weltgeistlichkeit mit gutem Beispiel vorangehen. Außerdem banden sie sich durch die Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehorsams. In der Armut gingen sie sogar noch weiter als Franz von Assisi, indem sie selbst darauf verzichteten, um Almosen zu betteln. Da der antike Name des Bistums Carafas Chieti Theate war, nannte man die neue Kongregation auch Theatiner.
Andere Neugründungen sind die Barnabiten (nach dem Kloster des hl. Barnabas, das sie bezogen), die Somasker (nach der Hauptniederlassung zu Somasca bei Bergamo) oder die Barmherzigen Bründer (hervorgegangen aus einer frommen Laiengenossenschaft, die der hl. Johannes von Gott in Granada gegründet hatte), die sich die Seelsorge, Krankenpflege, Jugenderziehung oder Erziehung von Waisenkindern zur Aufgabe machten.
Die Gewohnheiten und Statuten der erwähnten Bruderschaften waren nicht polemisch und erst recht nicht antiprotestantisch, vielmehr positiv ausgerichtet. Wieder ein Indiz, dass die Initiative zu ihrer Gründung nicht im Angriff des Protestantismus lag, sondern in einem aus dem Inneren der katholischen Kirche heraus kommenden Bemühen um eine echte Reform.
Auch alte, schon bestehende Orden wurden reformiert. So wirkte seit 1562 die hl. Theresa von Avila (+ 1582), ausgerüstet mit Vollmacht von Papst Pius IV., für eine strengere Beobachtung der Regel bei ihren Ordensgenossen. Sie wurde dabei unterstützt von dem ihr gleichgesinnten hl. Johannes vom Kreuz (+ 1591). Nach schweren Kämpfen wurde durch Gregor XIII. 1580 die Trennung der Unbeschuhten (reformierten) Karmeliter von den Beschuhten ausgesprochen.
Das Verhalten des Papsttums dieser Zeit war, grob gesprochen, zunächst eher enttäuschend. Es dauerte relativ lange bis es auf die religiösen Zustände reagierte. Von den Päpsten vor 1534 war Hadrian VI. (1522 – 23) der einzige, der die seinem Amt entsprechende verantwortungsbewusste religiöse Haltung aufbrachte. In ihm vereinigte sich deutsche Innerlichkeit (er stammte aus dem Deutschen Reich) und rigoristisch-spanische Kirchlichkeit zu echter Frömmigkeit und starkem Reformeifer. Wir haben schon erwähnt, dass er den Mut aufbrachte, auf dem Reichstag zu Nürnberg die Schuld des Klerus und der römischen Kurie an der desolaten religiösen Lage zu bekennen. Zu dieser Haltung bedurfte es im damaligen Renaissance-Rom einer opferbereiten Hingabe. Leider fehlte dem Papst die nötige Zeit, seine Reformen durchzusetzen (sein Pontifikat dauerte nur 20 Monate), aber auch die Organe, die seine Ideen verstanden und ihm bei der Umsetzung hätten dienen können.
Endlich unter Paul III. (1534 – 49) war dann die Unhaltbarkeit der bestehenden traurigen Zustände so deutlich geworden, die stille Arbeit der Reformkräfte von unten so weit gediehen und das Drängen verschiedenster Reformkreise so energisch geworden, dass sich ihr Einfluss beim Papst geltend machte. Paul III. erwachte aus seiner weltlichen Lebensführung. Er förderte die neu gegründeten religiösen Gemeinschaften. Auch nahm er Kardinalsernennungen vor, die für die weitere Geschichte der Kirche sehr wichtig waren. Männer wie Pole (er war Berater Marias I., die nach der Regierung Elisabeths I. den Katholizismus in England wiedererrichten wollte), Fisher (der wenige Tage vor Thomas Morus unter Heinrich VIII. von England zum Tode verurteilt wurde) und Carafa (Mitbegründer der Theatiner) zogen in das Kardinalskollegium ein. Die neu ernannten Kardinäle fasste Paul III. in einer Reformkommission zusammen, die wichtige Reformgutachten ausarbeitete. Geldgier sollte aus der Kurie verschwinden, die Bischöfe sollten sorgsam ausgewählt werden und es sollte ihnen zur Pflicht gemacht werden, in ihren Diözesen zu residieren, damit wahre Seelsorge überhaupt möglich würde. Simonie (Kauf geistlicher Ämter) wurde verurteilt. Ebenso Fälle, wo Inhaber höherer Weihen vom Zölibat befreit wurden, angeprangert. Das größte Verdienst Pauls III. liegt vielleicht darin, dass er das Konzil zusammenrief, das schon von vielen Katholiken und von Kaiser Karl V. gefordert worden war. Die Päpste, besonders Clemens VII., der Vorgänger Pauls III., Paul III. und Paul IV. standen einem Konzil oft ablehnend gegenüber, weil sie fürchteten, der Konziliarismus, d.h. die Idee, dass das Konzil über dem Papst stehe, könne wieder aufleben. Trotzdem lud er schon 1536 und 1537 zum Konzil, aber vor allem politische Umstände sorgten dafür, dass es letzten Endes doch erst 1545 zusammentrat. Es sollte mit zweimaliger längerer Unterbrechung 18 Jahre dauern.
Zwei Themenbereiche sollten behandelt werden: Dogma und Disziplin. Daher zerfallen die Entscheidungen in Decreta de fide (Dekrete über den Glauben) und Decreta de reformatione (Dekrete über die Reform der Kirche und ihre Umsetzung). Auf der dogmatischen Ebene wurde unter anderem die apostolische Tradition neben der Hl. Schrift als gleichberechtigte Glaubensquelle anerkannt, wurden die Bücher festgestellt, die zum Kanon der inspirierten Schriften gehören und als Norm für die Schrifterklärung die einhellige Übereinstimmung der Väter und das Urteil der Kirche bestimmt. Der Glaube, der ja von Luther als die alleinige Quelle der Rechtfertigung, d.h. der Rettung der Seele, verkündet wurde, wurde als “Anfang, Fundament und Wurzel alles menschlichen Heiles” proklamiert. Die Reformdekrete behandelten u.a. die Residenzpflicht der Inhaber von Benefizien und die notwendigen Eigenschaften eines Bischofs.
Wie folgenreich und kompliziert selbst die Wahl des Ortes für das Konzil war, können die Umstände verdeutlichen, die 1547 eintraten. In Trient brach das Fleckfieber, eine ansteckende Krankheit, aus. Rom hatte es von Anfang an nicht gefallen, dass Trient, eine kaiserliche Stadt, als Tagungsort gewählt worden war. So benützten nun die päpstlichen Legaten die Gelegenheit, wegen des Fleckfiebers die Synode nach Bologna im Kirchenstaat zu verlegen. Daraufhin blieben 14 kaiserlich gesinnte Prälaten in Trient zurück. Karl V. selber war sehr ungehalten über die Verlegung, da an ein Erscheinen der deutschen Protestanten, die er eben damals seiner Macht unterwarf, in einer Stadt des Kirchenstaates nicht zu denken war. Die Protestanten hatten sich zwar unabhängig vom Ort geweigert, auf dem Konzil zu erscheinen, weil es ein päpstliches Konzil war. Aber der Kaiser schien trotzdem alles tun zu wollen, um den Protestanten den Weg zum Konzil zu ebnen, um so die Einheit wieder herzustellen, was ja auch verständlich ist. Nachdem sich die Lage durch andere Umstände noch verschärft hatte, löste Paul III. 1549, zwei Monate vor seinem Tod, das Konzil vorübergehend auf.
In dem seinem Tod folgenden Konklave wurde der bisherige Konzilspräsident gewählt. Er nahm den Namen Julius III. (1550 – 55) an. Er war ein Freund des weltlichen Treibens und gab erneut durch Nepotismus (Vergabe von kirchlichen Ämtern an Verwandte) ernsten Anstoß, führte aber doch auch die kirchliche Reform weiter und kam dem Verlangen des Kaisers nach Wiederaufnahme des Konzils nach. So nahm das Konzil seine Sitzungen 1551 wieder auf. Die Verhandlungen über die Dekrete über die Sakramente wurden fortgesetzt. Außerdem wurden Reformdekrete erlassen, die meist die Amtsführung der Bischöfe, den Lebenswandel der Geistlichen und die geordnete Verleihung der Benefizien betreffen. Auf unermüdliches Betreiben des Kaisers hin erschienen nun sogar Gesandte der deutschen Protestanten. Trotz allem Entgegenkommen waren aber die Verhandlungen mit ihnen völlig ergebnislos, denn sie stellten teilweise unerfüllbare Bedingungen auf, wie die Aufhebung und Neuberatung aller bisherigen Beschlüsse. Der Verrat des Kurfürsten Moritz am Kaiser und der Marsch der Verbündeten nach Süddeutschland führten dann dazu, dass das Konzil 1552 erneut aufgelöst wurde. Es sollte erst wieder in zehn Jahren zusammenkommen.
Auf Julius III. folgte, leider nur für 22 Tag, der fromme und gelehrte Marcellus II. und nach ihm Kardinal Carafa als Paul IV. (1555 – 1559). Schon durch die Gründung des Theatinerordens hatte Carafa großen Reformeifer an den Tag gelegt. So war er auch als Papst um die Erneuerung der Kirche besorgt. Sofort begann er einen unerbittlichen Kampf gegen die Missbräuche an der Kurie, namentlich gegen die Simonie, und traf strenge Maßregeln zur Disziplinierung des Welt- und Ordensklerus und zur Ausrottung der Häresie. Leider wollte er aus genannten Gründen von einer Fortführung des Konzils nichts wissen. Was angesichts dessen, was man sonst von diesem Mann gesehen hatte, auch erstaunt, ist, dass er ganz im Stil der Renaissancepäpste Nepotenpolitik betrieb, von der er erst ließ, als er durch seinen Günstling in einen Krieg mit dem ihm verhassten Spanien verwickelt worden war, der für ihn selbst ungünstig ausging.
Der Nachfolger Pauls IV., Pius IV. (1559 – 1565) war ein guter Diplomat, jedoch weltlich gerichtet. Unter ihm endete der politische Nepotismus großen Stils. Zwar begünstigte auch er seine Verwandten und erhob seinen erst 21jährigen Neffen Graf Karl Borromeo (1610 heiliggesprochen) 1560 zum Kardinalstaatssekretär und Erzbischof von Mailand. Doch gereichte dieser Schritt der Kirche zum Besten. Denn Karl zeichnete sich durch tiefinnerliche Frömmigkeit aus. Er war die rechte Hand Pius' IV. und ihm ist es hauptsächlich zu verdanken, dass auch jetzt trotz der weltlichen Gesinnung des Papstes die Kirchenreform kräftig weiterging und das Konzil von Trient erneut fortgesetzt und glücklich abgeschlossen wurde. Karl bewährte sich als der tatkräftigste Förderer der Gegenreformation und der katholischen Restauration im Sinne des Tridentinums für ganz Oberitalien.
Wie gesagt, das Konzil wurde unter Pius IV. zu seiner dritten und letzten Periode (1562 – 1563) wiedereröffnet. Neben Dekreten über die Kommunion, das Messopfer und die Ehe, wurde auch eine große Zahl inhaltsreicher Reformdekrete erlassen, die die wichtigsten Gebiete des kirchlichen Lebens berühren. Hier sei nur die Übertragung der Ablassverkündigung an die Bischöfe, die Einschärfung der Pflicht für Kirchenvorsteher, wirklich in ihrer Pfarrei oder Diözese zu wohnen, und das Dekret über die Errichtung von Diözesanseminarien zur Erziehung und Bildung der künftigen Kleriker erwähnt. Unerledigte Reformen wie die Ausgabe eines allgemeinen Katechismus, eines verbesserten Breviers und Missale wurden dem Papst übertragen. Acht Kardinäle wurden dazu bestimmt, die Auslegung und Durchführung der Konzilsbeschlüsse zu überwachen.
Nicht lange nach der Beendigung des Konzils folgte auf Pius IV. Pius V. (1566 – 1572, 1712 heiliggesprochen). Er verkörpert die katholische Restauration in ihrer entschiedensten und reinsten Gestalt. Das strenge Leben eines Bettelmönches behielt er auch auf dem Throne Petri bei. Sein Eifer für die Sache der Religion und Kirche war ebenso groß wie seine Energie in der Durchführung der Trienter Reformen in Rom und in den katholischen Ländern. Unter ihm erschienen auch der Catechismus Romanus, das verbesserte Brevier und das Missale Romanum.
Wie eingangs schon erwähnt, zeigen uns die geschilderten Ereignisse, dass Glieder der katholischen Kirche die Missstände der Zeit vor und während der Reformation zum Teil selber gesehen und als zutiefst unchristlich empfunden haben. Sie zeigen auch, gerade weil von päpstlicher Seite zunächst nicht viel unternommen wurde, zum Teil weil ja gerade ein Teil des Problems im Fehlverhalten mancher Päpste lag, wie wirksam die sogenannte “Reform von unten” sein kann, wie wichtig für das Überleben der Kirche der religiöse Ernst der einzelnen Menschen war, der sich u.a. darin zeigte, dass sie die Reform bei sich selber begannen. Wie viel richteten diese Menschen angesichts der teilweise sicherlich entmutigenden Zustände in der Kirche aus, indem sie durch ihr überzeugendes Beispiel zunächst wenige um sich scharten und damit Zentren bildeten, denen sich dann immer mehr Menschen anschließen konnten!

P. Johannes Heyne

1 Verwendete Literatur:

Heussi, Karl, Kompendium der Kirchengeschichte, Tübingen 1971
Pastor, Ludwig Freiherr von, Geschichte der Päpste, IV. Band, Freiburg 1928
Bihlmeyer, D.Dr.Karl, Kirchengeschichte, III. Teil, Paderborn 1956
Lortz, Joseph, Geschichte der Kirche, Band II, Münster 1965

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